Bei der Suche nach einem Thema für die Promotion, bin ich auf zahlreiche interessante Ideen gestossen, die sich jedoch nicht alle verwirklichen lassen. Zumindest nicht innerhalb nur einer Promotion mit begrenzter Zeit.
Einige Ideen hatten sich soweit entwickelt, daß ich sie Euch hier präsentieren kann, um entweder einen Einblick in Fragestellungen der Geschichtswissenschaft zu geben, Anregungen zu vermitteln (sollte ein Leser Interesse an einem solchen Thema haben oder mir weitere Anregungen geben, gibt es virtuelle Cookies 🙂 ) oder einfach einen ersten Eindruck von einem neuen Thema zu bekommen.
Durch die lebhafte Diskussion um Globalisierung kam bei mir irgendwann die Frage auf, ob sich auch einflussreiche Eliten in vergangener Zeit Gedanken um globale Wirkungen und Verhältnisse gemacht hatten. Grade in einer Epoche, die von Entdeckungen, weltumfassenden Handel und neuen Ideengeprägt war – das 18. Jahrhundert – scheint es doch plausibel, daß diese Entwicklungen sich auch in der Vorstellungswelt der Eliten niedergeschlagen hatten.
Eine erste Eingrenzung dieser Forschungsfrage könnte so aussehen:
Im 18. Jahrhundert unter dem Einfluß der Aufklärung, der prosperierenden Übersee-Handelskompanien und mehrere Kontinente umfassende Kriege, wurde der Gedanke des Weltbürgertums stärker in der philosophischen Diskussion rezeptiert. Wieland, Lessing, Herder und besonders Kant, auf dessen Schrift „Zum ewigen Frieden“ noch heute verwiesen wird, philosophierten über Konzepte von Weltbürgertum und einer Weltgesellschaft.
Besonders rechtliche Fragen (nach einer Verfassung und Welt-Organisationen standen dabei im Mittelpunkt, zudem die eigene Zuschreibung, ein Weltbürger zu sein.
Diese Vorstellungen einer Weltgesellschaft wurden im 19. und 20. Jahrhundert im Zuge des dominanten Nationalismus zurückgestellt und werden in der Soziologie seit den 1970er Jahren unter den Eindrücken einer wirtschaftlichen Globalisierung erneut aufgegriffen. Dabei stehen heute aber stärker die Vernetzungsstrategien, Kommunikationsstrukturen und wirtschaftliche Aspekte im Mittelpunkt, während die Fragen nach Verfassung, Rechten und Pflichten von Weltgesellschaft nicht diskutiert werden.
Die aktuelle Globalgeschichte der Frühen Neuzeit konzentriert sich ebenfalls stark auf wirtschaftliche Aspekte, z.B. bei der Untersuchung der Handelskompanien, oder den Kulturkontakt in Übersee bzw. den Kolonialismus.
Inwiefern in den europäischen Eliten der Kolonialmächte, gemeint sind hier geistige, wirtschaftliche und politische, die Vorstellungen der Welt sich veränderten und welche Konsequenzen aus sich möglicherweise ändernden Vorstellungen gezogen wurden, wurde bisher nicht in historischer Perspektive betrachtet.
In der philosophischen Aufklärungsforschung und den Literaturwissenschaften sind die genannten Konzepte hingegen stärker untersucht.
Die Untersuchung dieser Frage aus historischer Perspektive könnte daher neue Erkenntnisse über Entscheidungsprozesse, wahrgenommene Handlungsspielräume und Denkhorizonte der gesellschaftsformenden Eliten geben.
Zur Eingrenzung des Themas bietet sich eine vergleichende Untersuchung dreier Staaten an, die unterschiedliche Rahmenbedingungen vorweisen.
So sind Großbritannien und die Niederlande im 18. Jahrhundert Kolonialmächte mit einflussreichen Handelsgesellschaften, die Einfluß auf politische Entscheidungsprozesse nehmen. Preußen hingegen versuchte sich eher erfolglos an einer ostasiatischen Handelsgesellschaft in den 1750er Jahren, umso intensiver beschäftigten sich dort aber Philosophen mit Vorstellungen einer Weltgesellschaft und Weltbürgertum.
Zur Analyse dieser Fragestellung erscheint es fruchtbar, Anregungen nicht nur aus der Globalgeschichte aufzunehmen, sondern diese auch zu ergänzen um spezifisch ideengeschichtliche, mentalitätsgeschichtliche und kulturgeschichtliche Perspektiven.
Als Quellen sind philosophische und staatstheoretische Texte aus den ausgewählten Ländern, Parlamentsdebatten und Ego-Dokumente prominenter Sprecher und (Ego-)Dokumente wirtschaftlicher Lobbyisten aus den Handelsgesellschaften zu untersuchen.