Wie bereits hier kurz angekündigt, werde ich also die nächsten Monate damit verbringen, die gleiche Forschung direkt zweimal zu veröffentlichen: einmal in Form der deutschen Dissertationsschrift (entsprechend den Auflagen meiner Promotionsordnung mit recht wenig Änderungen an der eigentlichen Qualifikationsschrift, die abgegeben und bewertet wurde) und einmal als eine englischsprachige wissenschaftliche Monographie. Warum tue ich mir diesen Sch… an? So eine Veröffentlichung ist ja schon in einer Sprache kompliziert genug, warum dann in zwei Sprachen und auch in zwei unterschiedlichen Verlagslandschaften?
Kurz gesagt, mehr Leute lesen Englisch als Deutsch. Bei dem Thema Monarchenabsetzungen auf den britischen Inseln und in Skandinavien gehören die Forscher, die sich mit ebendiesen geographischen Räumen in der Frühen Neuzeit beschäftigen, sicherlich zu einer der wichtigsten Zielpublika meiner eigenen Forschung. Und im Vergleich zur betreffenden Forschung in den skandinavischen Ländern bzw. in den UK ist die deutsche Forschungslandschaft bei dem Thema eher überschaubar. Naja, und deutsche Forscher lesen eher englische Texte als englische Forscher deutsche…
Aber wie funktioniert nun das Publizieren bei einem nicht-deutschen Verlag? Bekanntermaßen haben sich bei uns aufgrund der Veröffentlichungspflicht von Dissertationen bestimmte Unsitten entwickelt, die es so auf dem internationalen Buchmarkt nicht gibt. Ganz zuallererst: ich zahle keinen Druckkostenzuschuss! Ich wiederhole: kein Druckkostenzuschuss! Im Gegenteil, ich erhalte sogar Geld in Form von Tantiemen. Keine Ahnung, wieviel das sein wird und ob sich das lohnt; das hängt dann von den Verkaufszahlen ab. Aber allein die Ersparnis der Druckkosten – sei es aus eigener Tasche oder mit beträchtlichem Zeitaufwand verbunden durch eine entsprechende Förderung – macht sich bemerkbar auf meinem Konto.
Eine Folge von diesem System ist, dass ich ein sog. Book Proposal schreiben musste, in dem ich die wichtigsten Thesen meiner Arbeit, die Zielgruppe, die Gliederung inkl. kurzer Kapitelzusammenfassungen, Formalia wie Umfang, Bilder u.ä., Konkurrenztitel usw. aufführen musste. Da habe ich auch so einiges an Zeit hereingesteckt. Gemeinsam mit diesem Book Proposal habe ich meinen Lebenslauf (das ist ja in Deutschland auch so) sowie zwei Beispielkapitel eingereicht. Diese wurden dann zunächst vom Lektor beim Verlag begutachtet, dann ging das Ganze raus an Peer Reviewer, die im gleichen Forschungsfeld wie ich arbeiten. Bei mir waren das also entweder Experten zur frühneuzeitlichen Staatsbildung, zu mittelalterlichen oder modernen Monarchenabsetzungen (da gibt es noch nicht viel Frühneuzeitliches, meine Forschung füllt da tatsächliche eine zeitliche Lücke) oder allgemeiner zu Herrschaftsgeschichte und Monarchie. So ganz genau weiß ich das natürlich nicht, es ist ja blind review (wenn auch nicht double-blind, wie bei vielen Zeitschriften).
Da ich ja selbst übersetze bzw. meine Forschung auf Englisch neu schreibe, war ein ganz wichtiger Aspekt für mich die Zusammenarbeit mit jemanden, der sprachlich den Texten den letzten Schliff gibt. Dank meiner zahlreichen Konferenzbeiträge und englischen Veröffentlichungen bin ich zwar inzwischen auf dem Level angelangt, dass ich auch im Deutschen den englischen Satzbau nutze (im Englischen dafür einen deutschen) und also manchmal komplett sprachverwirrt bin (sehr zur Erheiterung meiner Studenten sowie meines Schwedisch-Kurses, wenn mal wieder zuviel Englisch hineinrutscht), aber proper academic English ist dann doch eine andere Hausnummer. Zum Glück habe ich mit Margaret Hiley jemanden gefunden, der fachlich und sprachlich passt. Margaret ist nämlich bilingual Deutsch-Englisch und kann daher wunderbar deutsche Konstruktionen in englischen Texten erkennen. (Nur so als kleiner Exkurs: ging mir auch schon so, dass mein Wissen zu dem schwedischen Verb “läsa” (lernen, aber auch lesen) hilfreich war, um zu erkennen, warum jemand in einem Abstract “reading” und “learning” verwechselt hatte. Der Jemand war nämlich skandinavischer Muttersprachler und da macht es eben keinen Unterschied…).
So, nachdem also die Gutachten der Peer Reviewer positiv zurückkamen, ging es schon an den Vertrag. Abgabetermin und Umfang, Anzahl Bilder u.ä. hatte ich ja schon im Book Proposal angegeben, aber hier wurde es nochmal festgeschrieben und ich hätte hier auch noch etwas ändern können. Ganz besonders wichtig war mir, dass die deutsche Veröffentlichung und die englische Veröffentlichung sich nicht in die Quere bezgl. Urheberrecht u.ä. kommen, was ich eben auch nochmal schriftlich mit meinem Lektor abgestimmt habe. Was mir dann schon eher Kopfzerbrechen bereitet hat, ist die Anpassung an das Routledge Format. Viele wissenschaftliche Bücher, die ja ohnehin nur ein eher begrenztes Publikum haben, werden inzwischen nämlich gleichzeitig auch als eBook, und dieses sogar kapitelweise, angeboten (nicht nur bei Routledge). Bei Sammelbänden finde ich persönlich es ja ganz sinnvoll, die Option zu haben, nur den einen Aufsatz zu kaufen, der mich interessiert; aber bei Monographien erschließt sich mir das nicht so recht. Aber ich habe auch keine Einsicht in die Verkaufszahlen – vielleicht lohnt es sich ja? Jedenfalls führt diese Verkaufsstrategie dazu, dass jedes Kapitel seine eigene Bibliographie hat sowie generell Kapitel-Endnoten genutzt werden. Dabei bin ich so ein Fußnoten-Fan! Die Errungenschaft bei meiner (deutschen) Diss, auf die ich am stolzesten bin, ist die Tatsache, dass ich mehr Wörter in den Fußnoten habe als im Haupttext (ca. 96.500 im Haupttext zu 101.500 in den Fußnoten)! Ich gebe zu, ich habe die englische Version ohnehin mit weniger Fußnoten (und auch generell weniger Wörtern) konzipiert, aber die intensiven Diskussionen zum Forschungsstand, Quellenproblematiken oder Bezügen zu vom Hauptargument wegführenden Themen werden wohl entfallen bzw. in den Haupttext wandern müssen, wo sie den Erzählfluss stören. Nachdem ich diesen Frosch also schlucken musste, konnte ich dafür endlich den Vertrag unterzeichnen!
Insgesamt hat es von der Einreichung des Book Proposals bis zur Vertragsunterzeichnung etwa 6 Wochen gedauert – das ist recht schnell. Gut, letztes Jahr hatte ich ein Book Proposal für einen Sammelband bei ARC Humanities Press eingereicht, welches innerhalb von 3 Wochen positiv beantwortet wurde. Allerdings war das auch im Rahmen einer Buchreihe, bei der ich vorher bereits mit einigen der Reihenherausgebern, die bei Buchreihen ja mitentscheiden, schon im Kontakt stand. Aber normalerweise sollte man schon so eher 2-3 Monate einplanen – das hängt von der Schnelligkeit der Lektoren ebenso wie der der Gutachter ab. Und auch davon, wann das nächste Mal die Reihenherausgeber und/oder Verlagslektoren zusammenkommen, um über die Aufnahme von Werken zu entscheiden.
Und jetzt geht es eben ans Re-Writing. Anders als inzwischen oft in deutschen Verlagen üblich, muss ich mich nicht um den Satz kümmern. Dafür um den Index – das wird bestimmt noch mal zu einigen Problemen führen; die Indizierung ist für mich sowas wie die Königsdisziplin der akademischen Veröffentlichung. Da gibt es auch himmelweite Unterschiede und gerade englische Bücher sind da den deutschen reinen Personen- und Ortsangaben oft weit voraus. Aber dazu später mehr.
Ich hoffe, ich konnte ein bisschen Einblick in das englische Publizieren aus deutscher Perspektive geben!