In der aktuellen Geschichtswissenschaft sind es vor allem wirtschaftliche Themen, die globalgeschichtlich betrachtet werden. Die gegenwärtige Globalisierung zeigt da ihren Einfluss. Typische Forschungsgegenstände sind daher vor allem der Handel. In der Frühen Neuzeit oft Handelsgesellschaften, im Mittelalter eher der Handel von Gewürzen, Waffen und Seide.
Zur Globalgeschichte des Mittelalters ist besonders zu bemerken, daß sie zunächst aus einer Abwehrhaltung entstand und sich gegen die vorherrschende Meinung richtete, daß Globalisierung/ globaler Handel erst seit etwa dem 19. Jahrhundert stattfand. Meiner Ansicht stammte diese Meinung zum einen stark aus der Empire-Forschung, die das britische Empire als ersten weltumspannenden, wirtschaftlichen Komplex wahrnahm und zum anderen aus der Beschränkung des Blickwinkels auf technische Möglichkeiten und das rasante Zusammenwachsen der Welt dank Eisenbahn, Schiffsverkehr, Telefon, Flugverkehr und Internet seit der Hochindustrialisierung.
Mediävisten verweisen dagegen zu Recht auf die großen Handelsnetze des Mittelalters an den Küsten des Indischen Ozeans. Zwischen China, Indien, Arabien und Ostafrika gab es regen Schiffsverkehr, Handel, Wissensaustausch und Kulturkontakte. Die Seidenstrasse verband den östlichen Mittelmeerraum, und damit auch Nordafrika und Europa, mit Bagdad, Zentralasien und schließlich China.
Reisen und der Kontakt zwischen unterschiedlichen Kulturen ist ebenfalls schon länger ein Thema in der Mediävistik. Zunächst vor allem europäische Reisende, d.h. Pilger, Kreuzfahrer, Händler, Gesandte oder Soldaten, die sich innerhalb Europas bzw. in den östlichen Mittelmeerraum bewegten und schriftliche Quellen in Form von Reisetagebüchern, Reisebeschreibungen/-führern, Rechnungsbüchern oder Briefen hinterließen.
Neben den beschwerlichen Bedingungen des Reisens selbst, ist es besonders spannend zu lesen, wie Kontakte mit anderen Kulturen stattfanden oder wie ein Reisender aus dem dörflichen Reich staunend in Rom oder Venedig steht. Heute kennen wir den Petersplatz aus Reiseführern, Papstansprachen oder GoogleEarth; früher konnte man aus seinem eigenen Horizont nur unzureichend solche Vorstellungen entwickeln und auch Erzählungen waren kein Ersatz für das eigene Auge.
In der Frühen Neuzeit sind neben dem Handel besonders Kolonialismus und Entdeckungen wichtige Forschungsthemen, die bereits seit langem untersucht werden und sich nun unter Globalgeschichte neu positionieren.
Die weltweiten Zusammenhänge von Migration, Umwelt und Klima oder Kommunikation sind eher neue Forschungsrichtungen innerhalb der Globalgeschichte. Grade bei diesen Themen ist es kaum möglich sich auf regional begrenzte Räume zu beschränken oder nur einen Staat zu betrachten.
Und zu guter Letzt sind natürlich Verkehr, Technik, Internet, Industrialisierung und die zunehmende weltweite Verflechtung in allen Bereichen Forschungsgegenstände, die von der heutigen Globalisierung ihre Anregungen und Fragen beziehen.
Je mehr ich mich damit beschäftigte, umso spannender finde ich Globalgeschichte und so ist es bestimmt nicht das letzte Mal, das ich hier etwas dazu schreibe. Fürs erste soll es aber erst mal reichen, inspirierende Bücher habe ich unten angegeben und die Zusammenfassung der drei Artikel zur Globalgeschichte hier zum Herunterladen bereitgestellt.
Weiterführende Literatur:
Bayly, Christopher A.: Die Geburt der modernen Welt: eine Globalgeschichte 1780-1914. Frankfurt 2006.
Demandt, Alexander: Kleine Weltgeschichte. München 2003.
Ertl, Thomas: Seide, Pfeffer und Kanonen. Globalisierung im Mittelalter. Darmstadt 2008.
Grandner, Margarete; Rothermund, Dietmar und Schwentker, Wolfgang (Hg.): Globalisierung und Globalgeschichte. Wien 2005.
Marks, Robert B.: Die Ursprünge der modernen Welt. Eine globale Weltgeschichte. Darmstadt 2006; im Original: The Origins of the Modern World. A Global and Ecological Narrative. Lanham, Maryland 2002.
Nagel, Jürgen: Abenteuer Fernhandel. Die Ostindienkompanien. Darmstadt 2007.
Nussbaum, Felicity A. (Hg.): The global eighteenth century. Baltimore 2003
Osterhammel, Jürgen: Globalgeschichte. In: Goertz, Hans-Jürgen (Hg.): Geschichte. Ein Grundkurs. Reinbek bei Hamburg3 2007, S. 592-610.
Osterhammel, Jürgen (Hg.): Weltgeschichte. Stuttgart 2008 (Basistexte Geschichte 4).
Spengler, Oswald: Der Untergang des Abendlandes. 2 Bände. Wien 1918 und München 1922
Toynbee, Arnold J.: A Study of History. 12 Bände. London 1934-1961.
Zemon Davis, Natalie: Global History, many Stories. In: Osterhammel, Jürgen (Hg.): Weltgeschichte. Stuttgart 2008 (Basistexte Geschichte 4), S. 91-100 .
interessanten blog hast du hier 🙂 globalgeschichte finde ich auch superspannend. hast du das gesehen: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/zeitschriften/id=42&ausgabe=5001 – die özg ist eh ne superzeitschrift. toll fand ich auch den „verein für geschichte des weltsystems“ … allein der name … super! wenn ich mit der arbeit fertig bin, les ich mir auch mal durch, was die eigentlich machen.
Danke für den Hinweis; hatte ich noch nicht gesehen..
Inzwischen gibt es ja auch einige Zeitschriften, die sich explizit mit Globalgeschichte beschäftigen, z.B. die Comparativ. Leipziger Beiträge zur Universalgeschichte und vergleichenden Gesellschaftsforschung oder das Journal of global history. Das Open Access Journal Globality Studies Journal ist zwar nicht nur historisch orientiert, hat aber auch einige interessante Artikel.