Kristian II.

Der letzte König der Kalmarer Union, Kristian II., ist noch heute als „Kristian, der Tyrann“ bekannt. Diesen Ruf hat er in erster Linie dem Stockholmer Blutbad vom November 1520 zu verdanken, mit dem er seine Krönung zum schwedischen König feierte. Seit dem Tod seines Vaters Johan II. 1513, der seit seiner Absetzung mehrfach erfolglos versucht hatte, sich in Schweden erneut als König durchzusetzen und dabei besonders auf die Unterstützung der schwedischen Familie Trolle bauen konnte, hatte auch Kristian versucht, seinen Anspruch auf den schwedischen Thron, den er nach der Kalmarer Unionsakte und der Anerkennung der Nachfolgerschaft von 1499 hatte,  durchzusetzen. Unterstützung bekam er dabei vor allem von Gustav Trolle, der zu jener Zeit Erzbischof von Uppsala und politischer Gegner des Regenten Sten Sture (der Jüngere) war. Auch Sten Sture d.J. war, wie sein Namensvetter, Gegner der Kalmarer Union und wußte mit dieser Haltung einen Großteil des schwedischen Adels und der Stände hinter sich.
Kristian II.  war jedoch hartnäckig und führte den Kampf um den schwedischen Thron sowohl auf dem Schlachtfeld, als auch auf diplomatischen und rechtlichen Weg. Als Highlights dieses Kampfes zwischen Sten Sture und Kristian II. kann die Schleifung der Festung Gustav Trolles und dessen Absetzung 1517 gelten, die darauffolgende päpstliche Bannbulle gegen Sten Sture und die Verurteilung desselben durch den Kaiser Maximilian I.
Die Militärkampagne, die Kristian II. 1519 in Schweden startete, war daher päpstlich und kaiserlich sanktioniert.  In der „Schlacht auf dem Eis“ (ein zugefrorener See) im Januar 1520 fiel Sten Sture d.J. in der Schlacht. Ohne ihn brach der schwedische Widerstand schnell zusammen. Bis September 1520 leistete einzig noch die Stadt Stockholm, unter der Führung von Sten Stures Witwe, Kristina Gyllenstierna, Widerstand.
Bei der Übergabe der Stadt Stockholm an Kristian II. versprach dieser Amnestie für Kristina und ihre Anhänger. Kurz nach der Krönung Kristians im November 1520 kam es jedoch zum „Stockholmer Blutbad“, bei dem zahlreiche adlige Oppositionelle auf Basis einer Anklage durch Gustav Trolle hingerichtet wurden. Ein Großteil des schwedischen Adels war betroffen, teils gar Unterstützer Kristians, denen er nicht mehr traute. Bis heute ist es in der Forschung umstritten, wer der Drahtzieher war: Kristian II., der die Anklageschrift Gustav Trolles gegen seine Widersacher nutzte, oder Gustav Trolle, der Kristian II. zu dieser Tat drängte?

Mit diesem „tyrannischen Akt“ gelang es Kristian gegen seinen Willen, Schweden zu einigen und Gustav Eriksson (aus der Vasa-Familie) Unterstützer zu verschaffen. Einer der wenigen überlebenden schwedischen Adligen und steter Unterstützer der Sture-Partei, wurde Gustav Eriksson zur Leitfigur des Widerstands mit zahlreichen Geschichten seiner Heldentaten bis heute. Auch der traditionelle „Vasaloppet“ (ein Ski-Langlaufwettbewerb) geht auf eine Geschichte um Gustav zurück. Mit der Unterstützung des Volks, besonders der Bergbauern aus Dalarna, und der Stände wurde Gustav 1521 zum Regenten gewählt und begann den Kampf gegen Kristian II. 1523 konnte, mit Hilfe Lübecks, Kristian als abgesetzt erklärt werden und Gustav Eriksson als Gustav I. ein schwedisches Königtum etablieren.

Dieser Fall ist für meine Dissertation von besonderem Interesse: nicht nur wegen der Forschungskontroverse und zahlreichen Unklarheiten bei den Ereignissen und Motivationen, sondern besonders, da die Absetzung Kristians zugleich das Ende der Kalmarer Union ist und unlösbar verknüpft mit der Gründung des schwedischen Königreichs. Die Geschichtsschreibung konzentriert sich daher stark auf Gustav I. und seine Heldentaten im Vergleich zum „Tyrann“ Kristian II.
Ein weiterer Aspekt ist, dass das Stockholmer Blutbad alle weiteren Gründe stark überschattet. Es ist klar, dass das Blutbad der direkte Auslöser für den Widerstand war, die zahlreichen anderen Gründe (und schließlich gelang es Kristian erst 7 Jahre nach seinem Herrschaftsantritt diese auch durchzusetzen) verblassen dagegen und müssen erst wieder herausgegraben werden.

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