Vor ein paar Wochen war ich in Aachen auf der Tagung „Grenzen und Grenzüberschreitungen“ von der AG der Frühen Neuzeit. Ich möchte jetzt gar nicht einen Tagungsbericht abliefern – den wird es mit Sicherheit bei h-soz-u-kult geben – sondern die Ideen, die ich mitgenommen habe, vorstellen:Mein eigener Eindruck war, daß Grenzen vor allem als Grenzraum verstanden wurde und damit als ein Ort des Kontaktes, und nicht als scharfe Grenzlinie des Trennenden.
Diese Grenzräume als Ort von Handlungen und Veränderungen in den Mittelpunkt der Untersuchung zu rücken, war ein Anliegen vieler Vorträge.
Dabei wurde auch festgestellt, daß sich Vorstellungen von (Ab)Grenz(ung)en üblicherweise erst in Konfliktsituationen entwickeln und dann auch erst ihre praktische Umsetzung (Grenzsteine, Verträge, Mauern u.ä.) bekamen, zumindest in der Frühen Neuzeit. Ob man die Grenzziehung der nordamerikanischen „Frontier“ und der us-amerikanischen Staaten damit fassen kann, bin ich mir nicht sicher (dafür habe ich viel zu wenig Ahnung von der US-Geschichte). Auch heute habe ich oft eher das Gefühl, daß erst der Zaun (also die Grenze) gezogen wird und dann das Haus gebaut, da scheint sich also etwas im territorialen Verständnis verändert zu haben.
Zurück zur Frühen Neuzeit, in der sich das Bewußtsein für geographische (Herrschafts)Grenzen erst herausbildet, oft dank der Bestrebungen der Obrigkeit und der Kirche (klar abgegrenzte Verwaltungseinheiten lassen sich einfach besser kontrollieren). An der betreffenden, neuen Grenze selbst aber blieb meist lange noch eher das Bewußtsein des Gemeinsamen stärker als die Grenzsetzung von „oben“. Insofern zeigte die Tagung die Chance der Kategorie „Grenze“ als eine Überwindung von einseitigen, besonders nationalen, Perspektiven.
Neben den räumlichen Grenzen standen auch weitere Grenzen (religiöse, kulturelle, genderbedingte u.ä.) auf dem Programm. Hierbei schien mir jedoch, der Grenzbegriff nicht griffig genug. Ich würde bei solchen Punkten vielleicht eher den Begriff der Perspektive vorziehen und historische Forschung durch Perspektivenwechsel betreiben. Möglicherweise kann sich dies noch ändern, wenn alle Perspektiven ausreichend erforscht wurden und man sich möglichen Überschneidungen in einem ideellen Grenzraum konkreter nähern kann.