Im Gegensatz zu allgemeinen Vorstellungen ist Wissenschaft alles andere als langweilig oder gar gefühllos. Der Inhalt der wissenschaftlichen Arbeit sollte rational sein, die Entstehung einer solchen Arbeit lässt sich mE mit einer Geburt oder einer neuen Liebe vergleichen.
Zunächst entdeckt man seine Faszination für ein neues Thema – die Äußerlichkeiten gefallen. Nach den ersten Dates, der ersten Annäherung spürt man entweder noch mehr Faszination oder man trennt sich vom Thema. Während des Honeymoons ist alles prima, man ist begeistert, sprüht vor Energie und will alles auf einmal. Und dann kommen die ersten Schwierigkeiten: das Material ist schwer zu bekommen oder gibt nicht das her, was man erwartet hat; es finden sich keine Fragestellungen oder Gliederung; man hat erste Schreibblockaden etc.
Wenn man diese Phase dann überwunden hat und im Schreiben ist, wird die Arbeit immer mehr zum eigenen Kind. Geht es der Arbeit nicht gut, leiden wir auch darunter; hat man einen Durchbruch erzielt, sind wir euphorisch. Ganz schlimm wird es dann zum Ende, wenn man die Arbeit kürzen und optimieren muss. Jeder Absatz, zu dem man vielleicht lange geforscht hat, und der doch nicht so ganz genau in die Argumentation / in die Arbeit passt und der weg muss, tut weh. Als ich bei einer meiner Seminararbeiten 1,5 Seiten zum Konflikt um Siena unter Cosimo I. (16. Jahrhundert, Toskana) kürzen musste, tat das besonders weh. Dieser Konflikt hatte mich über eine Woche beschäftigt, da in Siena die europäischen Konflikte zwischen Frankreich und Deutschland/Spanien (teils auch der Vatikan) ausgetragen wurde und die Bündnisse ständig wechselten. Ich hatte lange gebraucht, um mich soweit in all diese Konflikte einzuarbeiten, dass ich die Vorgänge um Siena verstehen konnte und bei Abgabe meiner Arbeit ist davon 1 Satz übriggeblieben. Nun ja, auf meinem Rechner habe ich noch eine Datei mit diesem 1,5 Seiten, sollte ich jemals wieder auf diesen Konflikt stossen.
Jetzt bin ich grade ganz vom Thema abgekommen; eigentlich wollte ich nämlich erzählen, wie sehr ich mich freue, jetzt nach fast einer Woche Unterbrechung durch Familienbesuch und Arbeit mich endlich wieder an die Arbeit setzen zu können. 🙂
Ich bin zwar noch lange nicht bei der Ma(gi)sterarbeit angekommen, kann das, was du da erzählst, allerdings sehr gut nachvollziehen. 🙂 Wäre ja auch schade, wenn Wissenschaft (also aufseiten der Produktion) so unemotional wäre, wie es die Texte manchmal suggerieren, oder?
Und ja, den Liebesvergleich würd ich so unterschreiben. Ich find, es gibt tatsächlich sowas wie akademisches Sex Appeal ;-).
Gerade Blogs sind ja wunderbar dafür geeignet, auch die solche – vermeintlichen – Nebensächlichkeiten, die kleinen Erfolge, die Rückschläge, die Euphorie, die kleinen Ärgernisse darzustellen…
Gut zu wissen, dass es auch anderen so geht 🙂
Besonders diese ganzen Nebensächlichkeiten machen die wissenschaftliche Arbeit spannend. Es ist eben auch ein kreativer Prozess.