Angestossen durch einen Satz in Marks‘ „Die Ursprünge der modernen Welt“, ein paar kurze unfertige Gedanken zum Dikat der Quellen und Narrativität:
Die Vorstellung, dass Historiker nur dort Geschichte machen (können), wo das Licht der Quellen hinscheint, ist verbreitet und – laut Marks – eine der Ursachen für den Eurozentrismus. Und so sehr wie auch gespannt sein mögen, was im Dunkeln liegt, so können wir es doch oft nicht sehen. Eine der neueren Antworten der Historiker auf dieses Problem ist die Erschließung neuer Quellengattungen. Ich denke, dass die zunehmende Bedeutung von Bildquellen (siehe den Konstanzer Historikertag) auch daher stammt. Eine weitere Antwort scheint in der zunehmenden Bedeutung von Narrativität zu liegen: durch den Zwang, eine geschlossene, irgendwie kausale Geschichte zu erzählen, muss der Historiker nun auch Lücken schließen, wo eben nicht das Licht der Quellen hinscheint. Doch wie macht er das? Und ist das legitim?
Während ich auf der einen Seite narrative Geschichtsschreibung sehr gern lese, frage ich mich doch auch jedesmal, was nun zu Gunsten der Erzählung weggelassen wurde und wo der Historiker vielleicht auf unsicherem Boden steht? Damit hängt auch das Problem der historischen Wahrheit zusammen, sollte es eine solche geben. (Nicht vergessen, ich bin im Nebenfach Philosoph 🙂 )
Eine mögliche, wenn auch nicht ganz befriedigende, Antwort liefert Arthur Danto in seiner „Analytischen Philosophie der Geschichte“, welches ich im übrigen jedem Historiker, der es sich zutraut, sich durch die grausige Sprache zu quälen, empfehlen möchte. Für Danto ist klar (was er auch philosophisch analytisch korrekt herleitet), dass erst der Historiker der Vergangenheit Sinn und Bedeutung verleiht; dementsprechend gibt es keine eine historische Wahrheit, sondern viele, die je auf die Fragen der Gegenwart antworten. Geschichte wird erst von den Historikern gemacht.
In diesem Kontext ist die Vereinbarkeit von Quellen und Narrativität kein Problem, da Geschichte ja nur durch ihre Bedeutung für die Gegenwart Relevanz erhält und immer wieder veränderlich ist (nicht die historischen Ereignisse, aber die Bedeutung derselben).
Ganz zufrieden bin ich mit diesen Vorstellungen von der Arbeit des Historikers aber noch nicht. Und obwohl ich mich sowohl dem Diktat der Quellen unterordne, als auch in den meisten Fällen eine narrative Darstellung bevorzuge, bleiben Fragen über die Vereinbarkeit beider und die Existenz einer oder vieler historischer Wahrheit(en) offen.
(Zudem merke ich: je vager die Vorstellungen, was eigentlich nicht stimmt, umso fehlerhafter und diffuser die Ausdrucksweise.) In diesem Sinne also ein Beitrag im Brainstorming-Status… to be continued